Silvester und Neujahr

Silvester und Neujahr
Silvester und Neujahr
 
Das Brauchtum über den Jahreswechsel, der nicht nur für die Jahreszählung bedeutend ist, erscheint in allen Kulturkreisen sehr vielfältig. Der Tag und der Abend davor sind dabei in Glauben und Brauch nicht vom Jahresbeginn zu trennen. Feuerwerk, Maskenumzüge und lärmende Feiern galten ursprünglich der Vertreibung böser Mächte.
 
 Termin und Name
 
Der Jahreswechsel wurde seit dem Altertum als bedeutendes Ereignis mit einem Fest begangen, als Zeit der Erneuerung betrachtet und von rituellen und magischen Handlungen begleitet. Ihm gingen Reinigungsriten voraus.
 
Der Termin des Jahreswechsels war schon immer in den Kulturkreisen unterschiedlich festgelegt und hing vom jeweils geltenden Kalender ab. Im römischen Kalender wurde der Jahresanfang 153/146 v. Chr. vom 1. März auf den 1. Januar gelegt. Die spätantike und römische Feier der Januarkalenden hatte wegen des ausgelassenen Treibens und der weit verbreiteten Ausschweifungen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirche gefunden. Noch über Jahrhunderte galten Verbote von Vermummungen und Tänzen.
 
Den von Gajus Julius Cäsar 46 v. Chr. reformierten römischen Kalender, den julianischen Kalender, übernahm die römische Kirche zwar, aus Abneigung gegen das römische Neujahrstreiben aber nicht den Termin des Jahresanfangs. Seit dem 6. Jahrhundert sah sie ihn wegen der Ausgelassenheit der weltlichen Neujahrsfeier als Bußtag und beging ihn seit dem 13./14. Jahrhundert als Fest der »Beschneidung Christi«.
 
Der Jahresanfang wechselte noch im Mittelalter mehrmals und lag bis in die Neuzeit in Europa an sehr versch.verschiedenen Daten. So wurde er u. a. auch auf den 25. März angesetzt, den Tag Mariä Verkündigung. Dieser Annuntiationsstil in der Kalenderrechnung war in England sogar bis 1752 gültig. Auch der 1. September - u. a. im Bereich der byzantin.byzantinischen Kultur bis weit nach Osteuropa verbreitet - oder der 25. Dezember, der Weihnachtstag, galten als Jahresbeginn. Trotz der offiziellen Handhabung in den Kanzleien war aber wohl auch im MA.Mittelalter im Alltag der 1. Januar, schon damals Neujahrstag gen.genannt, als »bürgerl.bürgerlicher« J.Jahresanfang üblich. Kirchlicher und ziviler Jahresanfang wichen also lange Zeit voneinander ab.
 
Erst Papst Innozenz XII. hat 1691 für die Kirche den 1. Januar als Neujahr anerkannt (Zirkumzisionsstil); außerdem erklärte er den 31. Dezember als Heiligentag des Papstes Silvester I., der 355 an diesem Tag gestorben war. Seitdem werden der Tag und vor allem der Abend vor Neujahr im abendländischen Kulturkreis Silvester genannt. In Russland war der J.Jahresanfang übrigens lange Zeit unsicher. Zunächst unter byzantinischem Einfluss staatlich auf den 1. September festgelegt, war dieser Tag erst ab 1342 auch der Beginn des Kirchenjahres, das zuvor wie in der bäuerlichen Praxis am 1. März begann. Per Ukas wurde der Jahresbeginn dann von Zar Peter I., d. Gr., auf den 1. Januar festgelegt, gültig ab 1. Januar 1700.
 
In Kulturkreisen mit Mondkalender wie im Islam und in SO-AsienSüdostasien ist der J.Jahresanfang variabel. Im Judentum wird N.Neujahr am 1./2. Tischri, im September/Oktober, gefeiert, in zahlreichen Reformgemeinden jedoch nur am 1. Tischri.
 
 Dämonische Wesen in den Zwölf Nächten
 
Die Nächte um die Zeit der Jahres- und Wintersonnenwende, d. h. die Nächte vom 25./26. Dezember bis zum 5./6. Januar, wurden einst im deutschen Sprachraum Zwölf Nächte genannt. Sie waren durch viele vorchristliche Bräuche und abergläubische Vorstellungen geprägt und im Volksglauben besonders gefürchtet: In ihnen spukten angeblich dämonische Gestalten oder dubiose Wesen teils mit ungeheuren Geisterscharen herum, die alles mögliche Unglück bringen konnten, sofern man diverse Gebote wie Speise- und Namentabus (Letztere für Tiernamen, die für den Teufel stehen) verletzt oder sich nicht durch apotropäische Maßnahmen geschützt hatte. Außerdem galten Träume in den Zwölf Nächten als vorbedeutend für das kommende Jahr, deshalb zählten die Zwölf Nächte zu den Losnächten. Aus dem Wetter der Zwölf Nächte leitete man ebenso Voraussagen für das Wetter der zwölf Monate des kommenden Jahres ab. Neben der ersten und der letzten Zwölf Nacht bildete die mittlere, eben die Nacht zum Neujahrstag, eine der Rau- oder Rauchnächte. Als Rauchnächte wurden sie deshalb bezeichnet, weil in ihnen einst Haus und Hof sowie Amtsgebäude mit Weihrauch eingeräuchert wurden, um böse Geister oder sonstige dämonische Gestalten zu vertreiben. Raunächte wurden sie deshalb genannt, weil in ihnen zu einer noch früheren Zeit die »Pelzer« umgingen, d. h. mit Pelzen und Tiermasken vermummte Gestalten, sei es um böse Geister zu vertreiben, sei es um furchtsame Menschen zu erschrecken. Das Adjektiv »rau« in einer älteren Nebenform hat die Bedeutung »haarig, pelzig«; das zusammengesetzte Substantiv »Raunacht« spielt demzufolge auf jene pelzigen Gestalten oder haarigen Scheingespenster an.
 
Auch andere dämonische Wesen wie der wilde Jäger mit seinem Geisterheer, Hexen und Drachen sollen in den Zwölf Nächten umhergezogen sein. Außer durch Räucherwerk, Feuer und Licht versuchte man sie durch Schießen, Trommeln, Läuten, Pfeifen und Peitschenknallen oder anderen Lärm fern zu halten. - Erst später sollten Feuerwerk und Böllerschüsse Licht und Lärm erzeugen, auch wenn sie inzwischen einen anderen Zweck erfüllen.
 
Im südlichen Deutschland und im nordöstlichen Alpenraum pflegte in den Zwölf Nächten eine Gestalt namens Percht (anderenorts Frau Holle genannt) mit ihrer Geisterschar umherzuziehen und zu überprüfen, ob Haus und Hof in Ordnung gebracht sowie Speisen und Gaben für sie und ihr Gefolge bereitgestellt worden waren; widrigenfalls bestrafte sie die Bewohner mit Krankheiten oder Missbildungen. Percht konnte sich allerdings auch von ihrer guten Seite zeigen und den Kindern Geschenke mitbringen.
 
 Umzüge maskierter Gestalten
 
Viele der gefürchteten dämonischen Gestalten, aber auch eher harmlose Figuren erschienen in der Neujahrsnacht jedenfalls in maskierter Form, indem sie lärmend durch die Straßen zogen, vor oder in die Häuser kamen, Neujahrsverse hersagten oder die Zukunft voraussagten und teils Gaben »erbettelten«, teils auch Geschenke mitbrachten. So zogen außer allerlei maskierten Dämonen und Hexen insbesondere Neujahrsböcke oder -schimmel um. Der Neujahrsbock oder -schimmel wurde meist von zwei vermummten Burschen gebildet, trieb bevorzugt mit Mädchen Schabernack, konnte aber auch mit einer Lebensrute schlagen, den Kindern Geschenke bringen oder Weissagungen machen.
 
In nördlichen Gegenden kam der Schimmelreiter mit einem Geisterpferd und einer Schar vermummter Burschen daher; er hatte ein geschwärztes Gesicht, trug eine Pelzkappe mit einer Hahnenfeder und blies durch ein großes Kuhhorn, während seine Begleiter mit Peitschen knallten. Im schweizerischen Gebiet wurde die Schnabelgeiß als dunkle Teufelsgestalt von einem hellen Engelswesen durch das Dorf geführt - wohl als Mahnung, dass das Gute das Böse zügeln solle.
 
S.-KläuseSilvesterkläuse mit riesigem, oft filigranartig gearbeitetem Kopfputz und umgehängten Schellen treten im Kanton Appenzell Ausserrhoden auf, manchmal auch am 13. Januar, dem alten Neujahrstermin. Mit hohen Lichterhüten sind sie in Orten des Kantons Zürich üblich, wo sie zusammen mit anderen (Masken-)Gestalten angetroffen werden können.
 
 Vorzeichen und Voraussagen
 
In der Neujahrsnacht wurden allerhand Geschehnisse als Vorzeichen gedeutet oder Mittel für Voraussagen gebraucht. Insbesondere was Wetter und Ernte, Liebe und Heirat, Geburt und Tod angeht, wurde herauszufinden versucht, was das neue Jahr bringen würde. So zog man einen Kreis um sich oder suchte einen Kreuzweg auf, um aus den Geschehnissen oder Geräuschen auf die kommenden Verhältnisse und besonders auf das bevorstehende eigene Schicksal zu schließen. Und selbstverständlich nahm man an, dass der Traum der Neujahrsnacht in Erfüllung gehen wird.
 
Zu den Orakelbräuchen gehört neben dem Bleigießen das Schuhwerfen und das Glücksgreifen. Beim Schuhwerfen sollte die Lage eines über den Kopf geworfenen Schuhs in die Zukunft weisen. Zeigte etwa der Schuh eines Mädchens zur Haustür, so wurde dies als Vorzeichen des Auszugs aus dem Haus der Eltern bzw. des Eintritts in den Stand der Ehe gedeutet. Beim Glücksgreifen, das vor allem in Ostpreußen verbreitet war, wurde verschieden geformtes Neujahrsgebäck als Vorzeichen genommen. Mehrfach gebackene Figuren wie Frau, Mann, Ring, Kind, Schlüssel und Totenkopf wurden auf den Tisch gelegt, und man griff mit verbundenen Augen nach ihnen oder nahm die umgedrehten Tassen ab, mit denen sie verdeckt waren. Mehrmals gegriffene oder entdeckte Figuren sollten das Eintreffen des entsprechenden Ereignisses anzeigen.
 
Die alten Orakelbräuche leben in Resten abergläubischer Praktiken wie Bleigießen weiter oder sind zu Scherzen der Silvesterfeier verharmlost.
 
 Abwehr-, Glücks- und Fruchtbarkeitszauber
 
Es genügte natürlich nicht, in die Zukunft zu blicken, sondern es ging in der Neujahrsnacht nicht zuletzt darum, das Schicksal dazu zu bringen, dass es sich von seiner guten Seite zeigt. Gerade um Mitternacht versuchte man, Unheil abzuwehren oder das Glück herbeizubeschwören. Jedenfalls galt es, den Neuanfang durch entsprechende Handlungen zum Ausdruck zu bringen.
 
So wurde das alte Jahr ausgeläutet oder ausgedroschen, das neue eingeläutet oder eingedroschen. Die Lichter in den Wirtshäusern wurden ausgelöscht und Schlag zwölf wieder angezündet. Beim Neujahrsläuten tranken die Tischgenossen aus einem Glas und warfen es dann aus dem Fenster. Die daheim Gebliebenen sprangen beim zwölften Glockenschlag von den Stühlen oder Tischen in das neue Jahr hinein. Mancherorts wurde eine als alte, hässliche Frau verkleidete Strohpuppe durch den Ort geführt, um Mitternacht im Fluss ertränkt, und ein hübsches Mädchen, zur Neujahrskönigin ernannt, wurde zurückgebracht.
 
Vom Anfang des neuen Jahres schloss man auf dessen weiteren Verlauf: War das Wetter am Neujahrstag mild, war das Jahr über gemäßigtes Wetter zu erwarten, war es stürmisch, stünde ein wechselhaftes Jahr bevor; war es kalt und heiter, erhoffte man sich Gesundheit, war es neblig und windig, befürchtete man Krankheit im kommenden Jahr. Wer am Neujahrstag Geld hatte, würde das ganze Jahr über Geld verfügen. Es galt deshalb, kein Geld auszugeben oder auszuleihen. Aber auch die Verhaltensweisen, die man an den Tag legte, würden sich das ganze Jahr fortsetzen. Deswegen sollte man darauf achten, früh aufzustehen, sich ordentlich anzuziehen und nicht hinzufallen; ratsam war es auch, guter Stimmung zu sein und keine unnötige Handarbeit zu verrichten.
 
Um die Fruchtbarkeit zu erhöhen, sollte man etwa Obstbäume schütteln, klopfen, beschenken oder sonst wie behandeln. Dem Vieh war besonderes Futter zu verabreichen. Um die eigene Gesundheit zu erhalten, wurde dringend empfohlen, Erbsensuppe zu essen. Möhren, Linsen, Weißkraut, Schuppenfische und Getreidekörner, insbesondere Hirse, sollten hingegen das Vermögen vermehren. Schweinefleisch und Sauerkraut versprachen dauerhaftes Glück, aber auch Brennnesselkuchen zu essen, sollte zum Vorteil gereichen. Bier sollte verjüngen, Gebäck das Jahr versüßen. Von Äpfeln jedoch sollte man absehen, sofern man sich keine Geschwülste zuziehen wollte.
 
 Speisen, Gebäck und Getränke
 
Aus den erwähnten Gründen wurden als Silvesteressen zumindest auf dem Lande fette, körnerreiche und quellende Speisen zu sich genommen: Sie sollten nicht nur eine passable Grundlage für die alkoholischen Getränke schaffen, sondern vor allem für Gesundheit, Fruchtbarkeit und Reichtum im kommenden Jahr sorgen. In den Städten wurde in bürgerlichen Kreisen der Karpfen bevorzugt, dessen Schuppen bei sich getragen Glück und besonders Wohlstand gewährleisten sollten.
 
Als Neujahrsgebäck waren vor allem Gebildbrote verbreitet: Unter den organischen Formen waren besonders Schweine, Hirsche, Hasen oder Bäume beliebt, unter den geometrischen Formen Kränze oder Ringe. Gebildbrote wurden nicht nur verspeist und als Neujahrsgeschenke verwendet, sondern auch dem Vieh verabreicht, um ihm Gesundheit und Fruchtbarkeit zu verleihen. Überdies wurde das übrig gebliebene Gebäck getrocknet, zerkleinert und zur Saatzeit mit dem Samen vermischt auf den Feldern ausgestreut, um das Wachstum anzukurbeln.
 
Als Silvestergetränk konnten sich zunächst in den Städten Bowle, Punsch und Sekt durchsetzen. Bei Feiern im Familienkreis erfreut sich mittlerweile die Feuerzangenbowle großer Beliebtheit, zum Anstoßen auf das neue Jahr wird im Allgemeinen Sekt getrunken.
 
 Neujahrswünsche und -gaben
 
Schon im altrömischen Neujahrsfest war es üblich, Geschenke zu verteilen. Für höfische Kreise ist der Brauch im Mittelalter seit dem 9. Jahrhundert bezeugt. Er erfuhr vielfache Ausweitungen, indem sich weltliche Herrschaften und geistliche Institutionen mit »Verehrungen« bedachten, Stadtverwaltungen ihren Bediensteten, Klöster ihrem Gesinde Zuwendungen an Geld und an Brotspenden, häufig in Form von Zopfgebäcken und Lebkuchen, zukommen ließen. Der Geschenktermin ging im 19. Jahrhundert meist von N.Neujahr auf das Weihnachtsfest über.
 
Als Neujahrsgeschenke waren Gebildbrote oder Geldmünzen verbreitet. Besonders die Buben dürften am Neujahrsmorgen für ihre Glückwünsche belohnt worden sein, und das »Neujahrsabgewinnen« war daher bei ihnen recht beliebt. Teilweise waren die Glückwunschgänge also regelrechte Heischegänge. So gingen im alemannischen Gebiet die Patenkinder zu ihren Paten, würgten sie gar und forderten mit einem Spruch ihre Gabe, die demgemäß »Helsete« genannt wurde.
 
Im 14. und 15. Jahrhundert entwickelte sich in fürstlichen und geistlichen Kreisen der Brauch, N.-WünscheNeujahrswünsche in Briefen auszutauschen. Frühe Holzschnittbilder und Kupferdruckblätter des 16./17. Jahrhunderts enthalten einen kurzen Wunsch im Spruchband, mit dem Motiv des Jesuskindes als N.-KünderNeujahrskünder. Geistliche Themen, Tier- und Pflanzenmotive waren aber ebenso populär. Im 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert fanden N.-WünscheNeujahrswünsche ihre Fortsetzung in Ausschneidebögen und Klappkarten. 1872 wurden in Deutschland die ersten N.-GlückwunschkartenNeujahrsglückwunschkarten gedruckt, seit den 1950er-Jahren auch in Kombination mit Weihnachtskarten.
 
Glückwünsche für das neue Jahr werden noch in der Neujahrsnacht oder am Neujahrstag ausgesprochen. Einst waren hierbei gewisse Regeln einzuhalten, damit die Wünsche ihre Wirkung nicht verfehlten oder gar ins Gegenteil umschlügen; und die Neujahrswünsche gingen mit abergläubischen Vorstellungen einher. Wenn etwa eine Frau einem Mann zuerst ein gutes neues Jahr wünschte, sollte dies ein Unglücksjahr zur Folge haben. Am Neujahrsmorgen war es in jedem Fall besser, einem Knaben oder Mann als erstem Glück Wünschenden zu begegnen, da dies Glück verhieß. Begegnete man dagegen zuerst einem weiblichen Wesen oder gar einer alten Frau, war Unglück zu befürchten. Bauern bedachten auch ihr Vieh mit Glückwünschen, die ihm wohl vor allem Gesundheit verleihen sollten.
 
Heute werden die Neujahrswünsche wie »Ein gutes Neues!« oder »Prosit Neujahr!« meist eher als Höflichkeitsfloskeln gebraucht. Und der Wunsch »Guter Rutsch!«, mit dem man sich vorsorglich ein gutes Jahr zu wünschen pflegt, bedeutet ursprünglich nicht, dass man gut ins neue Jahr hinüberrutschen, sondern dass man im neuen Jahr gut anfangen möge. Er beinhaltet das hebräische Wort »rosch«, das »Kopf« oder »Anfang« bedeutet und über das Jiddische (»rojsch«) ins Deutsche gelangt ist.
 
 Rosch ha-Schanah, Nauroz, Songran, Shogatsu - Neujahrsfeste anderswo
 
Neujahr heißt im jüdischen Kulturkreis Rosch ha-Schanah, »Kopf des Jahres«. Als einer der höchsten jüdischen Festtage wird das Neujahrsfest zwei Tage lang gefeiert. Es gilt als Tag des himmlischen Gerichts über die Menschen und leitet daher die zehn Bußtage ein, deren Höhepunkt der Jom Kippur bildet. Charakteristisch sind das feierliche Blasen des Schofar in der Synagoge, das Backen besonders geformter Neujahrsbrote und der Brauch, das erste Stück des Neujahrsbrotes und Äpfel in Honig zu tauchen, womit die Hoffnung auf ein »süßes Jahr« ausgedrückt werden soll.
 
In der orthodoxen Kirche gilt der 2. Januar als Tag des heiligen Silvesters. Der 1. Januar ist mit der Gestalt des heiligen Basilios von Caesarea verbunden. Ihm zu Ehren wurden viele Neujahrsbräuche in Ost- und Südosteuropa üblich, wie das Singen von Neujahrsliedern, in Griechenland Kalanda, im Raum des früheren Jugoslawiens und in Bulgarien Koleda, in Rumänien Colinda und in Russland Koljada genannt, immer abgeleitet von den altrömischen Kalenden. In Griechenland ist außerdem der »Basilioskuchen«, »Vasilopita«, sehr populär geworden, in dem eine Münze eingebacken ist, die für das kommende Jahr Glück bringen soll.
 
Das persische Neujahrsfest, Nauroz oder Newroz, wie es die Kurden nennen, seit vorislamischer Zeit das größte Fest der Perser und bis in die Gegenwart der iranischen Völker, wird unabhängig von der Religionszugehörigkeit am Frühlingsäquinoktium mit Tanz und Musik gefeiert. Durch Probleme mit der Kalenderberechnung wurde dieses Fest der Fruchtbarkeit und Befreiung allerdings zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Gegenden auch an anderen Tagen des Jahres begangen.
 
Im buddhistischen Kulturkreis, in dem der Theravada-Kalender gilt, also in Thailand, Laos, Kambodscha, Birma und Sri Lanka, fallen Jahreswechsel und Neujahr auf den 13. April, den ersten Tag des zunehmenden Mondes im Frühling. Dieses Songran genannte Fest, was im Sanskrit »der Beginn eines neuen Sonnenjahres« heißt, ist in Thailand ein gesetzlicher Feiertag. Üblich ist besonders das Bespritzen und Übergießen mit Wasser, was an allen Orten, auf der Straße und selbst im Bus geschehen kann. Überall wird Frühjahrsputz veranstaltet, um Unglück ins alte Jahr zu verbannen.
 
In Japan wird das Neujahrsfest, O-Shogatsu genannt, am 1. bis 3. Januar gefeiert. Zumeist geben die Firmen und Unternehmen ihren Mitarbeitern drei freie Tage. Tempel und Schreine sind geschmückt; sie werden von den Menschen in festlichen Kimonos besucht (»Hatsumode«). Am 2. Januar ist der Garten des Kaiserpalastes für den Besuch geöffnet (»Ippon-Sanga«). Traditionell üblich sind auch ein gründlicher Hausputz und der Besuch von Bekannten und Freunden, ursprünglich allerdings mit der Absicht, Schulden einzutreiben, die an Neujahr verfielen. Türen werden mit weißen Papierstreifen an Strohseilen dekoriert, die Bildecke, »Tokonoma«, mit Reiskuchen oder -klößen, den »Mochi«. Das Schlagen des Teiges soll Glück bringen und gehört deshalb zu beliebten Ritualen an Neujahr.
 
 Fernöstliche Besonderheit: das chinesische Neujahrsfest
 
Neujahr ist im fernöstlichen Kulturkreis am ersten Neumond des Jahres und damit variabel zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar. Dieses Fest, in China nach dem ersten Morgen des neuen Jahres auch Yuandan, in Vietnam Tet genannt, aber auch in Thailand gefeiert, ist zugleich das Frühlingsfest. Es gilt als das größte und wichtigste traditionelle Fest im chinesischen (Bauern-)Kalender. Begangen wird es mit der ganzen Familie, die selbst von weither zusammenkommt, zumeist am Herkunftsort der Vorfahren, was jedesmal einen Massenexodus von Millionen auslöst und verstopfte Züge, überfüllte Straßen und Flugzeuge bedeutet. Das Fest dauert oft tagelang, auf dem Land sogar bis zum Laternenfest, am 15. Tag des ersten Mondmonats. Verbreitet ist ausgiebiges Essen, beliebt sind die »Jiaozi«, mit Fleisch und Gemüse gefüllte Teigtaschen. Mindestens drei Tage lang haben alle Geschäfte geschlossen und ruht ganz offiziell die Arbeit - eine Ausnahme im ganzen Jahr.
 
Die Feierlichkeiten beginnen zumeist schon am 30. Dezember des alten Mondjahres. Silvester (»Chuxi«) wird »durchgewacht«; die Silvesterwache nennt man auch »Shoussui«. Schon im Altertum waren das Abbrennen von Bambusknallkörpern und das Aufkleben von Bildern des Türgottes sowie von Frühlingssprüchen allgemeiner Brauch. Alte Amulette aus Pfirsichbaumholz, die »Taofu«, werden gegen neue ausgetauscht. Genauso alt ist der Drachen- oder Löwentanz. Trommeln, Lärmen zum Vertreiben der bösen Geister und Dämonen, um Krankheiten zu vermeiden und Glück zu sichern, sind ebenso üblich wie Neujahrsglückwünsche und Besuche von Bekannten und Verwandten. Kinder erhalten ein in rotes Papier eingewickeltes Neujahrsgeld. Ebenfalls um die bösen Geister zu vertreiben, die guten willkommen zu heißen und um eine reiche Ernte zu bitten, entwickelte sich die Sitte des Anzündens von Feuerwerken. Es ruft besonderes Vergnügen und eine Atmosphäre der Freude hervor und begeistert vor allem die Kinder. Frühzeitig entstanden Manufakturen für verschiedene Arten von Feuerwerkskörpern, die mit Schwarzpulver gezündet wurden. Die Sitte des Zündens von Feuerwerken und Knallkörpern eroberte von China aus auch den abendländischen Kulturkreis. Mehr als 150 Millionen Mark gehen so jährlich krachend und knallend buchstäblich in die Luft.

Universal-Lexikon. 2012.

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